Autorenlesung: Die Schauspielerin Miriam Eberhard liest aus ihrem Buch "Die Unentwegten"
DIE UNENTWEGTEN – Der Inhalt
Pauline und Friedrich Thiel waren die Großeltern der Autorin. Die Liaison der umworbenen, künstlerisch sehr begabten
Kaufmannstochter mit dem technisch genialen, aber unvermögenden Autorennfahrer stellte sich jedoch für Paulines wohlhabende und standesbewusste Eltern als problematisch heraus. Friedrich und Pauline lassen sich nicht auseinanderbringen, heiraten in Laupheim bei Ulm – und bekommen zwischen 1927 und 1948 vierzehn Kinder, zwei verlieren sie wieder. Ihr Anfang aber ist höchstbelastet, denn die Zwangsversteigerung fast des gesamten Familienbesitzes während der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre ist nicht aufzuhalten – und so muss sich die wachsende Großfamilie in politisch brisanter Zeit mehr schlecht als recht durchschlagen: ein wahres Lebensabenteuer. Zugleich verhilft der Vater Friedrich Thiel während des „Dritten Reiches“ von seiner Autowerkstatt aus jüdischen und behinderten Mitbürgern und ausländischen Soldaten zur Flucht. Die 1730 gegründete jüdische Gemeinde in Laupheim war bis 1942 eine der größten in Württemberg gewesen.
Mitten im rasanten 20. Jahrhundert, im Jahrhundert der zeitlichen Beschleunigung und der größten Veränderungen in der
Menschheitsgeschichte, unter nationalsozialistischer Diktatur, in Kriegs- und Nachkriegszeit findet der soziale Ab- und Wiederaufstieg der Familie Thiel statt.
Diese einstige Gesellschaft ist schon den Kindern der zu Wort Kommenden, der heutigen jungen Generation, fremd. Eine derartig große Differenz zwischen verschiedenen Altersgruppen wird in der zeitgenössischen, westlichen Überfluss-Gesellschaft in Zukunft nicht mehr zu finden sein. Der Existenzkampf in Arbeitslosigkeit, Inflation, Krieg und Währungsreform, der die Familie nicht von der traditionellen Hilfsbereitschaft abhält, macht sie daher für die Nachfahren zu unentbehrlichen Augenzeugen.
Jahrelang hat sich die Enkelin, die Nichte, mit ihren vielen Tanten und Onkeln getroffen, zusammengesetzt, hat sich lang und breit die je eigenen Lebensläufe – und also die je eigene Version der turbulenten Großfamilienereignisse erzählen lassen. Und aus hunderten von Gesprächsstunden und durchaus unterschiedlichen Erinnerungen hat Miriam Eberhard ein faszinierendes Panorama der dreißiger bis sechziger Jahre komponiert: eine amüsante, anekdotenreiche, aber auch sehr bewegende schwäbische Familienalltagsgeschichte. Ein großes Beispiel für Lebenslust und Lebensmut.
Und für Zivilcourage.
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