Das Filmmelodram kümmert sich um die Innenwelten von Personen. Was in „Männer-Genres“ Beiwerk ist, wird im Melodram zur Hauptsache: die Liebe und die damit verbundenen Leiden und Leidenschaften. Speziell für ein weibliches Publikum erdacht, kann das Filmmelodram allerdings auch zum gesellschaftskritischen Kunstwerk werden: denn allzu häufig werden jene Errungenschaften in Frage gestellt, die traditionellerweise eine Männergesellschaft charakterisieren: Erfolg, Macht, Geld, Krieg usw. So stehen häufig Frauen aus der Mittelschicht im Mittelpunkt, die nicht mehr mit den engen Grenzen ihres Lebens zufrieden sind. Aus der Selbstbeschäftigung erwächst die kritische Auseinandersetzung gegenüber dem System: der Familie, der Gesellschaft, den Strukturen, die zur eigenen Unzufriedenheit führen. Ausbruchsversuche kennzeichnen auf verschiedenen Ebenen das Bemühen, an diesen Strukturen etwas zu verändern; in der Regel scheitern diese Versuche, da die Gesellschaft, die Familie stärker sind als das Individuum.
Filmvorführung:
True Heart Susie (USA 1919)
RE: D.W. Griffith, DA: Lillian Gish, Robert Harron
Susie liebt seit ihrer Schulzeit den Nachbarsjungen William. Er schnitzt ein Herz mit beiden Initialen in einen Baum, doch schreckt William vor dem ersten Kuss zurück. In der Schule ist
Susie schlauer als er, und weil er sich das Studium nicht leisten kann und sie sich einen intelligenten Ehemann wünscht, verkauft sie gegen den Willen ihrer Tante ihre Lieblingskuh und finanziert William damit heimlich sein Studium. Bei der Übersendung des Betrags an die Universität hat sie sich nur als „Menschenfreund“ zu erkennen gegeben, sodass William im anonymen Wohltäter einen Fremden vermutet. William absolviert erfolgreich sein Studium und kehrt in sein Heimatdorf zurück, wo ihn Susie bereits bescheiden und treu erwartet. Er sieht in ihr nach all der Zeit eine gute Freundin, während sie bereits heimlich Hochzeitspläne schmiedet...
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